|
2Die Entscheidung des Europäischen Rates, keinen der Spitzenkandidaten zur Europawahl 2019
3als Kommissionspräsidenten zu nominieren, hat nachhaltig Vertrauen bei den Wählern zerstört. 4Viele Unionsbürger, die sich vorab über die Kandidaten der europäischen Parteienfamilien 5informiert und davon auch ihre Wahl abhängig gemacht hatten, fühlten sich um ihr 6demokratisches Mitspracherecht über den wichtigsten Posten der EU beraubt. Gleichzeitig hat 7der diesjährige Nominierungsprozess auch gezeigt, dass das bisherige 8Spitzenkandidaten-System instabil und unausgereift war.9Wir Jungen Liberalen treten deshalb dafür ein, diesen Prozess grundlegend zu reformieren und
10weiter zu demokratisieren. Wir wollen dazu das Europäische Parlament nachhaltig stärken und 11endlich das Versprechen echter demokratischer Mitwirkungsmöglichkeiten aller Unionsbürger an 12der Politik und dem Führungspersonal der Europäischen Union erfüllen.13Wir fordern:
15Alternative 1: Der Kommissionspräsident soll künftig, wie in jeder parlamentarischen
16Demokratie, allein vom Parlament gewählt werden. Jener Kandidat, der nach 17entsprechenden Koalitionsverhandlungen eine Mehrheit auf sich vereinigen kann, ist 18gewählt.20Alternative 2: Der Kommissionspräsident soll künftig direkt vom Volk gewählt werden.
21So schaffen wir direkte Verantwortlichkeit sowie Aufmerksamkeit und umgehen einen 22Institutionenstreit zwischen Europäischem Rat und Parlament.24Alternative 3: Wir wollen das Wahlverfahren des Kommissionspräsidenten umkehren:
25Nicht der Europäische Rat, sondern das Parlament soll künftig, nach entsprechenden 26Koalitionsverhandlungen, einen Kandidaten nominieren. Daraufhin soll der Rat die 27Möglichkeit haben, innerhalb einer bestimmten Frist einen konstruktiven Gegenvorschlag 28zu machen. Andernfalls gilt der Vorschlag als angenommen.30Die restlichen Kommissare sollen künftig nicht mehr von den 27 Mitgliedstaaten
31vorgeschlagen werden, sondern auf maximal 18 Mitglieder begrenzt und allein vom 32gewählten Kommissionspräsidenten nominiert sowie einzeln vom Parlament bestätigt 33werden.35Optional: Der Rat soll die Möglichkeit haben, einzelne Kandidaten mit doppelter
36Mehrheit abzulehnen, andernfalls gilt der Vorschlag als angenommen.38Alternative 1: Das Parlament soll einzelne Kommissare künftig durch ein konstruktives
39Misstrauensvotum absetzen können (und nicht wie bisher nur destruktiv die gesamte 40Kommission mit Zweidrittelmehrheit).42Alternative 2: Das Parlament soll den Kommissionspräsidenten künftig durch ein
43konstruktives Misstrauensvotum absetzen können (und nicht wie bisher nur die gesamte 44Kommission mit Zweidrittelmehrheit).46Mittelfristig soll die Hälfte der Abgeordneten des Parlaments über transnationale Listen
47der Europaparteien gewählt werden. Diese Listen sollen durch Spitzenkandidaten 48angeführt werden, welche für die Kommissionspräsidentschaft kandidieren. Die restlichen 49Abgeordneten werden wie bisher über nationale Delegationen der Mitgliedstaaten 50gewählt, sodass jeder Unionsbürger bei der Wahl zwei Kreuze machen kann. Wir wollen 51das Wahlrecht hierzu europaweit angleichen sowie die Größe der Delegationen von einer 52mathematisch nachvollziehbaren Formel abhängig machen, die allein auf der 53Bevölkerungsgröße basiert. Gleichzeitig dienen die transnationalen Listen dazu, die 54Erfolgswertgleichheit der Stimmen zu verbessern, indem durch die degressive 55Proportionalität entstehende Abweichungen vom Wahlergebnis der Europaparteien 56ausgeglichen werden.58Jede Fraktion sowie eine gewisse Anzahl von Abgeordneten im Parlament und jeder
59Mitgliedstaat im Rat sollen jeweils ein vollwertiges Initiativrecht erhalten.61Der Europäische Rat soll als eigene Institution abgeschafft werden. Die Mitgliedstaaten
62sollen stattdessen nur noch im Rat der Europäischen Union repräsentiert werden, welche 63zu einer gleichberechtigten zweiten Kammer ausgebaut wird. Dies beseitigt unnötige 64Doppelstrukturen und macht das politische System der EU unkomplizierter sowie 65einfacher verständlich.67Der Rat muss transparenter werden: Alle Dokumente und Sitzungen, inklusive die der
68Ausschüsse und Arbeitsgruppen, sollen, analog zu denen des Parlaments, unverzüglich 69und vollständig öffentlich einsehbar sein.71Wir wollen in Deutschland darauf hinwirken, dass – wie etwa in Dänemark bereits üblich –
72die Bundesregierung vor jeder wichtigen Abstimmung im Rat erst durch den Bundestag 73mandatiert werden muss. Eine Entscheidung gilt als wichtig, wenn ein Viertel der 74Mitglieder des Bundestages oder des Bundesrates, diese für wichtig erachten. So stärken 75wir unsere nationale Legislative, schaffen Raum für öffentliche Debatten über EU-Politik 76und verhindern intransparente Alleingänge der Bundesregierung (wie z.B. bei den 77Uploadfiltern).79Noch immer scheitern viele Lösungen für gemeinsame Probleme am Veto einzelner
80Mitgliedstaaten im Rat. Das Europäische Parlament soll daher in Zukunft das Recht 81erhalten, ähnlich des Bundestages eine Ablehnung des Rates mit Zweidrittelmehrheit zu 82überstimmen und dadurch solche Blockaden aufzulösen.84Derzeit erfordern selbst einfache EU-Richtlinien, wie zur Regelung der Farbe von
85Blinkern, Mehrheiten im Rat, die in staatlichen Parlamenten nur bei 86Verfassungsänderungen nötig sind. Dies verhindert die effektive und schnelle Lösung von 87Problemen. Wir wollen daher, dass die doppelte Mehrheit im Rat künftig nur noch die 88einfache Mehrheit der Staaten (statt 55%), die die Mehrheit der Unionsbürger 89repräsentieren (statt 65%) umfasst. Die Sperrminorität wollen wir abschaffen. Ebenso soll 90die Änderung eines Gesetzesvorschlags gegen die Kommission keine Einstimmigkeit 91mehr erfordern.93Die EU Grundrechtecharta soll künftig als unmittelbar geltendes Recht alle staatliche
94Gewalt in Europa binden – unabhängig vom Europarechtsbezug.96Damit die Europawahl wirklich zu einer europäischen Wahl wird, wollen wir, dass die FDP
97zur Europawahl 2024 auf ein eigenes Wahlprogramm verzichtet und stattdessen das 98gemeinsame Wahlprogramm der ALDE verwendet. Deshalb werden wir darauf drängen, 99dass die ALDE zur kommenden Europawahl ein ausführliches Programm aufstellt, mit 100konkreten Forderungen, die von einem liberalen und pro-europäischen Geist getragen 101sind. Davon unberührt bleiben ergänzende Beschlüsse, die sich spezifisch auf 102Deutschland beziehen.104Die EU soll künftig nach außen mit nur einer Stimme sprechen. Dafür müssen in einem
105ersten Schritt das Amt des Hohen Repräsentanten gestärkt und in "EU-Außenminister" 106umbenannt werden. Außerdem sollen Entscheidungen in der Gemeinsamen Außen- und 107Sicherheitspolitik (GASP) mit doppelter Mehrheit (und nicht mehr einstimmig) getroffen 108werden, um Vetos einzelner Länder zu verhindern. Das außenpolitische Agieren im 109Rahmen der GASP sollte zum Regelfall und nationalstaatliche Alleingänge zur absoluten 110Ausnahme werden. Wir wollen am Vorbild des Commonwealth die Botschafter innerhalb 111der EU in "Hochkommissare" umbenennen.113Auch in der Außenpolitik sollten integrationswillige Mitgliedstaaten schneller
114voranschreiten. Daher fordern wir, bis zur Realisierung des Ziels einer einzigen 115europäischen Außenpolitik, insbesondere die deutsch-französische Integration zu 116verstärken, indem beide Länder ihre Außenpolitik nicht nur noch enger abstimmen, 117sondern mittelfristig vollständig zusammenlegen. Dementsprechend soll es nur künftig 118noch einen einzigen deutsch-französischen Außenminister geben, der von 119Bundeskanzler und Staatspräsidenten gemeinsam ernannt wird. Die Arbeit der 120auswärtigen Ausschüsse der Parlamente soll von der deutsch-französischen 121parlamentarischen Versammlung übernommen werden. Die nationale Verteidigungs- und 122Rüstungspolitik etwa könnten davon auch zunächst unberührt bleiben, um 123verfassungsrechtliche Fragen auszuklammern.125Um den Aufbau einer europäischen Identität zu ermöglichen, braucht es eine
126europäische Öffentlichkeit. Doch kann diese niemals entstehen, wenn die bestehenden 127innereuropäischen Markteintrittsbarrieren auf dem Medienmarkt erhalten bleiben. Wir 128wollen den Binnenmarkt deshalb auch auf die Medienlandschaft ausweiten. Auch die 129innereuropäischen Markteintrittshürden auf dem Medienmarkt müssen abgebaut werden. 130Außerdem fordern wir die Veranstaltung einer "Eurolympiade" am Vorbild der 131Commonwealth Games. Der 9. Mai soll europaweit zum Feiertag erklärt werden.133Für uns Junge Liberale ist das Vereinigte Königreich fester Bestandteil eines vereinten
134Europas. Wir fordern deshalb, dass die Tür für eine Rückkehr in die EU, ob im 135geordneten Beitrittsverfahren nach einem Austritt oder durch einen Widerruf der 136Austrittserklärung durch das britische Parlament ggf. nach einem zweiten Referendum, 137stets offen bleibt.139Das bedauernswerte Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der EU begreifen wir
140als Weckruf, die EU endlich wieder entscheidungs- und handlungsfähig zu machen, um 141die großen Herausforderung unseres Jahrhunderts gemeinsam lösen zu können, statt 142weiter im Stillstand zu versacken. Wir wollen den Brexit daher zum Anlass nehmen, den 143nächsten europäischen Integrationsschritt zu gehen und einen europaweiten Konvent 144einzuberufen, der auch die oben formulierten institutionellen Reformen implementiert.146Unser Ziel bleibt ein föderalistischer, dezentraler, demokratisch verfasster europäischer
147Bundesstaat bzw. die "Vereinigten Staaten von Europa", niedergelegt in einer 148gemeinsamen, europäischen Verfassung, die vom Unionsvolk in einem Referendum 149bestätigt werden muss. Wir Freie Demokraten sind optimistisch und mutig. Die 150europäische Geschichte hat schon bewiesen, dass einst viel undenkbarere liberale 151Utopien Realität werden konnten. Deshalb sind wir fest davon überzeugt, dass auch ein 152wahrhaft in Vielfalt geeintes, bundesstaatliches Europa in nicht allzu ferner Zukunft 153realisiert werden kann. Wir müssen es nur gemeinsam mit voller Überzeugung anpacken.Achtung: Die Darstellung des gezeigten Antrags erfolgt als reine Vorschau. Verbindlich ist der Antragstext im offiziellen Antragsbuch zum 59. Bundeskongress vom 11. bis 13. Oktober in Oldenburg.